Schlafstörungen in der Rehabilitation nach einem kardiochirurgischen Eingriff

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24.06.2013



Schlafstörungen in der Rehabilitation nach einem kardiochirurgischen Eingriff

Von Zulfia Sukmarova, Mitarbeiterin der Sektion "Chronobiologie" des KMF

Das zunehmende Wissen über die Entstehung von Krankheiten führt verstärkt zu einer interdisziplinären Patientenbehandlung. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte im Bereich der Schlafmedizin. Besonders wichtig wird dies auch in der Rehabilitation.

Viele postoperative Patienten kommen immer früher in eine Reha-Klinik. Erst dort kann eine weiterführende Diagnostik und Therapie stattfinden. Das führt einerseits zur zusätzlichen Belastung der Reha-Kliniken, anderseits bietet es aber auch die Möglichkeit für eine vielseitige und umfassende diagnostische und therapeutische Betreuung ohne Zeitdruck und in ruhigerer Umgebung. Deutschland hat gute Erfahrungen auf dem Gebiet der Rehabilitationsmedizin. Das macht einen Erfahrungsaustausch wertvoll.

Populationsbasierte Studien zeigen, dass eine Schlafbezogene Atmungsstörung (SBAS) in 90% der Fälle nicht diagnostiziert wird, Bereits leichte und mittlere Formen dieser Krankheit haben aber schon einen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität. Es besteht ein gesicherter Zusammenhang zwischen nächtlichen Atmungsstörungen und Herz-Kreislauferkrankungen, z.B. der Koronaren Herzerkrankung (KHK). In der erwachsenen Bevölkerung treten SBAS bei 9% der Männer und 4% der Frauen auf. In einem chirurgischen Krankenhaus hat ein Viertel der vor einer Operation stehenden Patienten ein SBAS-Risiko. In der ersten Woche nach einem operativen Eingriff wurde diese Diagnose in anderen Studien bei der Hälfte der Patienten nachgewiesen. Es gibt nur wenige Daten über die Häufigkeit Schlafbezogener Atmungsstörungen bei Patienten, die für eine kardiochirurgische Maßnahme vorgesehen sind. Es ist zum Beispiel bekannt, dass zwischen den Patienten, die eine Operation an der Herzklappe brauchen, 67% eine Apnoe-Hypopnoe Index (AHI) über 20 pro Stunde haben. 45 Prozent der Patienten auf einer Warteliste für eine Herztransplantation haben einen AHI über 10 pro Stunde Schlaf.

Aktualität gewinnt die Evaluierung Schlafbezogener Atmungsstörungen bei postoperativen Patienten durch zusätzliche respiratorische Komplikationen. Ateminsuffizienz nach den chirurgischen Eingriffen (insbesondere in der Thorax-, Abdominal- oder Herzchirurgie) kann noch lange Zeit nach dem Eingriff auftreten und zeigt sich dabei vornehmlich im Schlaf.

Wir haben die Häufigkeit von Schlafbezogenen Atmungsstörungen bei kardiologischen Patienten in der Rehabilitation sowie deren Zusammenhang mit der Morbidität untersucht. Die Studie ist ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt mit dem Ziel, auch die Machbarkeit und Effizienz der Zusammenarbeit zwischen Schlaflaboren und Reha-Kliniken zu ermitteln, um derartige Kooperationen auch in Russland zu entwickeln.

 

Patienten und Methoden

Die Studie wurde in der Reha-Klinik Humboldt Mühle Berlin und von Mitarbeitern des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. Bei allen Patienten, die nach einem Herzeingriff in die Reha kamen, wurde der klinische Status erhoben und folgende Tests bzw. Bestimmungen durchgeführt: NYHA (New York Heart Association Klass), 6MWT (6-minute walk test), CCS (Canadian Cardiovascular Society Grading of Angina), VAS (Visual Analogue Scale of Pain), Herzecho, Stress-EKG, Spirometrie und allgemeine Blutanalyse. Dazu wurden auch Fragebögen zur Schlafqualität (Berliner Questionnaire und Epworth Sleepiness Scale) angeboten. Bei einem positiven Befund in einem der Fragebögen wurde eine 6-Kanal polygraphische Untersuchung durchgeführt.

In die Studie wurden alle Patienten nach einer Operation mit Sternotomie und mit akzeptabler Qualität der polygraphischen Untersuchung eingeschlossen.
Erfasst wurde auch Geschlecht, Alter, antropometrische Angaben, die Medikation und die allgemeine Anamnese. Bei der Entlassung wurde allen Patienten mit festgestellten schlafbezogenen Atmungsstörungen eine Untersuchung im Schlaflabor empfohlen.
Die Ergebnisse wurden mit dem Programm STATISTICA 6.0. bearbeitet. Es sind die Mediane dargestellt (5-95 Prozentil). Eine Korrelationsanalyse diente der Prüfung des Zusammenhanges zwischen Ausprägungsgrad der SBAS und den demographischen Daten.



Ergebnisse

Alle Patienten erhielten mit Aufnahme in der Reha-Klinik die genannten Fragbögen und bei positivem Befund eine Polygraphie. Die durchschnittliche Zeit nach der OP betrug 3,0 (2,6-3,4) Wochen. Insgesamt nahmen an der Studie 114 Patienten teil: nach aorto-koronarem Bypass (n=61), OP an den Klappen (n=51), Eingriffe wegen eines Aortenaneurysmas (n=4). 93 Männer und 21 Frauen im durchschnittlichen Alter von 66,5 Jahre (64,2-68,9). Durchschnittliche Daten der objektiven Untersuchungen werden in der Tabelle 1 dargestellt.

 

Body-Mass-Index 27,8 [26,1-29,5] kg/m2
CCS 1,0 [0,83-1,04]
VAS 2,4 [2-2,9] von 10
NYHA Klasse 2,3 [2,1-2,5]
6MWT 372 [325-377]
Ejektion Fraktion 52 [51-54]%
Sauerstoffsaturation im Wachsein 97 [96-99]%
Apnoe-Hypopnoe-Index 25,0 [22-28]/pro Stunde
Durchschnittliche O2-Saturation pro Nacht 91 [88-94]%
Minimale O2-Kontzentration pro Nacht 79 [76,4-82]%
Durchschnittliche Hämoglobinkonzentration 11,6 [10,9-12,3] g/l

 

Chronische Schmerzen hatten 69 (61%) Patienten. 46 Patienten (40%) hatten eine systolische Herzinsuffizienz. Laut Spirometriebefunden hatten 59 (52%) Patienten leichte und 3 Patienten mittlere restriktive Störungen. 39 (34%) Patienten hatten leichte und 2 (1%) Patienten eine schwere obstruktive Ventilationsstörung. Die Ultraschaluntersuchungen zeigten Perikard- oder Pleuraerguss bei 45 (39%) Patienten. Schlafbezogene Atmungsstörungen mit einem AHI >10/h zeigten sich bei 74 % der Patienten, 39% davon waren vom Cheyne-Stokes-Typ. Schnarchen wurde in durchschnittlich 5% der Zeit registriert. Anämie wurde bei 99 (87%) Patienten nachgewiesen.

Keine Korrelationen fanden sich zwischen Schlafstörungen und:
durchschnittlicher Sauerstoffsaturation, 6MWT-Distanz, NYHA-Klasse, CCS und VAS, obstruktiven und restriktiven Lungenfunktionsstörungen, Stress-EKG Befunden und dem Body-Mass-Index. Ein sicherer Zusammenhang war der zwischen dem AHI (nicht aber SaO2) und der Zeit in Rückenlage: r=0,36 (0,08-0,59).

Diskussion

Unsere Studie zeigt, dass die meisten Patienten nach einem Herzeingriff, auch mit positivem Ausgang und Wiederherstellung ohne Komplikationen, sich in einer Risikogruppe für schlafbezogen Atmungsstörungen befinden. Dabei haben wir nur die Patienten gemessen, die im Fragebogen auffällig waren. Es ist anzunehmen, dass es auch einen beträchtlichen, wenn auch geringen Anteil von asymptomatischen Patienten gibt, bei denen auch Atmungsstörungen festzustellen sind.

Interessant ist, dass diese Patientengruppe nicht zu den "typischen" Schlaflaborpatienten gehört. Im Unterschied zum herkömmlichen Phänotyp des Schlafapnoe-Patienten hatten die meisten Patienten in unserer Studie ein normales Gewicht und kein auffälliges Schnarchen. Eine eventuell bestehende Schwäche und Müdigkeit wird bei kardiologischen Erkrankungen auch oft als Nebensymptome der Hauptkrankheit wahrgenommen und nicht als zusätzliches Symptom einer nächtlichen Atmungsstörung.
Aus unserer Sicht ist die Häufigkeit von Schlafstörungen in der Versuchsgruppe nicht unerwartet, weil zu den Risiken und Folgen der kardialen Grunderkrankung das Risiko der Ateminsuffizienz nach der Operation hinzukommt. Das gilt auch während der Zeit der Rehabilitation. Zu den pathomorphologischen Mechanismen der Ventilationsstörungen  in den ersten Wochen nach einer derartigen Operation gehören Phrenikusparese, Durchblutungsstörungen und gestörte Innervation der Brustmuskeln zusammen mit den Schmerzen im Bereich der Naht, was zu erheblichen Atmungsbeschränkungen führen kann. Die Schmerzmitteleinnahme mindert den Muskeltonus des Diaphragma und des Respirationstrakts zusätzlich. Das provoziert Hypopnoen de novo, eine Verlängerung der Apnoeepisoden und größere Desaturationen. Eine Depression des Atemzentrums verstärkt die zentralen Atmungsstörungen bis hin zur Entwicklung einer Zyanose.

Im Wachzustand gibt es Mechanismen, die die Atemmuskulatur unterstützen bzw. eine Minderung der Atembewegungen kompensieren können, aber im Schlaf ist die neuromuskuläre Kompensation eingeschränkt. Zu den anderen wichtigen Faktoren, die Ventilations- und Perfusionsstörungen in der langen Genesungsperiode provozieren, gehört auch die relative hämodynamische Instabilität als Ergebnis der Anpassung des Herz-Kreislaufsystems an die neue Herzanatomie- bzw. Funktionalität und an die oft geänderte Arzneimitteltherapie. Das führt z.B. zu Flüssigkeitsstau im kleinen Kreislauf. Die Druckerhöhung in den Lungenvenen durch Stimulation der pulmonalen J-Rezeptoren und die Kaskade von neurohumoralen Reaktionen führt zur Manifestation zentraler Atmungsstörungen und periodischer Atmung. Tachypnoe, als Reaktion auf die Verminderung des Atemvolumens, führt zur Hypokapnie, die die Hauptrolle in der Entwicklung von zentralen Atmungsstörungen spielt und bei Patienten mit COPD oder Kachexie spielt die Ermüdung der Atemmuskulatur eine weitere entscheidende Rolle. Verstärkt werden können die Atmungsstörungen weiterhin durch Lungenveränderungen (z.B. Atelektasen) und auch durch einen Perikarder- oder Pleuraerguss, was sich bei ca. 70% der Patienten mit einer Bypass-Operation am 14. Tag nach der OP und ca. 50% der Patienten am 30. Tag nach der OP zeigt. Die Lungenkapazität wird dadurch gemindert. Letztlich kommen noch die Mobilitätsbeschränkung und die gezwungene Rückenlage im Schlaf zum Tragen. Die Lage, aber auch die postoperative Situation nach einer Herzoperation führt zur Verschlechterung der mukoziliären Clearance und Expektoration, gelegentlich auch zu Aspiration, was am Tage mit Bewegung oder Physiotherapie ausgeglichen werden kann. Tromboembolie der kleinen Zweige der Lungenarterie können im postoperativen Verlauf auftreten und tragen auch zur Entwicklung der Ateminsuffizienz bei. Embolien aus dem großen Kreislauf verursachen häufig Hirninfarkte.

Die Ischämie des Hirns während der Operation, die Herz-Lungen-Maschine und die Kühlung, sowie mögliche Hirn-Embolien und letztlich die Narkose verursachen auch kognitive Defizite. In der früheren Phase manifestieren sich mentale und Verhaltensstörungen als Geistesträgheit, Bewegungseinschränkung und Orientierungsschwierigkeiten bis hin zum Delirium. Später merkt man eine Verschlechterung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und der Wahrnehmung. Im Folgenden können sich eine depressive Stimmung und Schlaf- und Wachstörungen entwickeln. Minischlaganfälle tauchen noch 3 Jahre nach Bypass-Operation bei 51% der Patienten auf und können ebenfalls Atmungsstörungen potenzieren. Die kognitiven Störungen, die bei 90% der Patienten nach Entlassung vom Krankenhaus und bei 36% der Patienten noch nach 3 Jahren nach der Entlassung auftreten, können zudem eine falsche Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes verursachen, womit die subjektive Wahrnehmung von Atmungsstörungen oder von Müdigkeit schwierig wird. Der Apnoe-Hypopnoe-Index hat keinen gesicherten Zusammenhang mit vielen der beschriebenen Faktoren und das zeigt, dass Schlafstörungen bei den Patienten nach einem Herzeingriff multifaktoriell bedingt sind. Ein sicherer Zusammenhang besteht aber z.B. für die Rückenlage im Schlaf und den Ausprägungsgrad einer Schlafapnoe. Die Lage ist aber postoperativ nicht manipulierbar.
Besondere Bedeutung kommt auch der Kontrolle der Sauerstoffsättigung zu, sie ist Zeichen der respiratorischen Partialinsuffizienz und Desaturationen findet man bei 87% der operierten Patienten.

Es ist erwiesen, dass Patienten mit einem bekannten Schlafapnoe-Syndrom ein höheres Risiko für Herz-Kreislaufkomplikationen nach verschiedenen Eingriffen haben. Struktur- und Funktionsstörungen des Herzmuskels, die mit dem Schlafapnoe-Syndrom zusammenhängen und das Mortalitätsrisiko im Vergleich zur normalen Population um 3.3 mal wahrscheinlicher machen werden durch einen Herzeingriff zusätzlich beeinflusst. Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom ist ein unabhängiges Risiko für Bluthochdruck, einen Schlaganfall, eine Herzinsuffizienz, eine Herzrhythmusstörung, eine koronare Herzkrankheit, den Diabetes mellitus und die Artherosklerose. Die Hauptursache ist die erhöhte sympatische Aktivität bei obstruktiver Schlafapnoe. Die hämodynamische Instabilität bei postoperativen Patienten verursacht zentrale Atmungsstörungen und verschlimmert zentrale und obstruktive Atmungsstörungen. Damit wird in der Rehabilitationsphase eine schlafbezogene Atmungsstörung quasi unterhalten, was zu einer Verlängerung der Rehabilitation führen kann.
Ein Lösungsweg ist die rechtzeitige Erkennung und Intervention dieser Atmungsstörungen, z.B. mit der nichtinvasiven Beatmung. Dies kann nie früh genug, aber auch nie zu spät erfolgen.

Fazit

32% der Patienten wiesen 3 Wochen nach einer offenen Herzoperation nächtliche schlafbezogene Atmungsstörungen auf. Diese Patienten hatten am Tage eine normale Sauerstoffsättigung, unabhängig von einer Anämie bei 87% der Patienten und leichten respiratorischen Störungen in der Spirometrie bei 61%. Bei 74% der Patienten war die SBAS therapiebedürftig.

Diese Studie zeigt, dass die aktive Diagnostik von Schlafstörungen in der Rehabilitationsperiode und die Kooperation mit einem Schlaflabor notwendig ist. Unserer Meinung nach sollte die rechtzeitige Intervention, z.B. mit einer CPAP-Therapie bei den betroffenen Patienten dazu führen, dass während der Rehabilitation weitere Herz-Kreislauferkrankungen bzw. Komplikationen vermieden werden können. In diesem Zusammenhang ist das Schlaflabor nicht nur für die Therapieinitiierung wichtig, sondern auch für die langfristigen und nachhaltigen Kontrollen der Krankheit, die Therapieeffizienz und die Compliance.

Dieser Bereich der Medizin bietet viele Möglichkeiten für eine deutsch-russische Kooperation. Die deutschen Erfahrungen können durchaus schnell und effektiv nach Russland transferiert und dort in der klinischen Praxis umgesetzt werden.

Unsere Erfahrungen aus der klinisch-wissenschaftlichen Tätigkeit und deren Umsetzung in die klinische Praxis bzw. Routine können ein Modell für die Umsetzung von innovativen Ideen aus dem akademischen in den klinischen Bereich sein.


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